Das Kontrollorgan der Bundesregierung hat am 08.07.2016 das Kohlestrom-Nutzungs-Verlängerungs-Gesetz als Start in die nächste Phase der Energiewende verabschiedet. Da dem Parlament der Name zu sperrig erschien, haben sie es kurz EEG 2017 genannt.
Die Parlamentarier, die als Vertreter des Volkes mit der Aufsicht über die Bundesregierung mandatiert wurden, hatten über einen Text auf 430 Seiten zu entscheiden. Zum Studium des Textes billigte die Bundesregierung dem Aufsichtsorgan eine derart geringfügige Lesezeit zu, dass Frau Eva Bulling-Schröter, MdB sich veranlasst sah, diese Vorgehensweise mit der folgenden Aussage zu kommentieren:
"Dieses Superschnellverfahren hier erinnert mich an die Bankenrettung, die mit ähnlich hohem Tempo durchgepeitscht wurde. Und wenn es um den Einsatz von Milliarden Steuergeldern geht, werden Demokratie und Parlament ausgehebelt und unter Druck gesetzt".
Wer sich schon einmal einen vergnüglichen parlamentarischen Abend gönnte, hatte die Gelegenheit, sich im persönlichen Gespräch von der fundamentalen Sachkenntnis der Volksvertreter überzeugen zu können. Ich habe jedenfalls keinen getroffen, der bei Fachfragen zum Text nicht in die Enge geraten wäre und letztendlich eingestehen musste:
"Ich habe das weder alles lesen noch verstehen können".
Wie dem auch sei, würde ein Aufsichtsratsmitglied der freien Wirtschaft erklären: "Ich habe die Bilanz weder lesen noch verstehen können", sähe es sich erheblichen Problemen gegenüber.
Nun, das ist also die reale Demokratie, in der wir leben. Warum die Volksvertreter bei so einer Ausgangslage dann nicht gegen ein Gesetz stimmen, dessen Text sie nicht kennen und dessen Inhalt sie nicht verstehen können, erschließt sich mir allerdings nicht so recht. Unverständlich ist auch die von Frau Bulling-Schröter, MdB getroffene Aussage, die Parlamentarier seien unter Druck gesetzt worden. Wie soll das in unserer Demokratie möglich sein? Mit welchen Druckmitteln übt diese Bundesregierung den zitierten Druck auf das Kontrollorgan der Regierung aus? Sind unsere Volksvertreter also doch nicht unabhängig oder sind sie gar erpressbar?
Unser Wirtschaftsminister (hier nachzulesen https://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=773218.html ) kommentiert das Gesetz mit folgenden Worthülsen:
"Wir steigern den Anteil der Erneuerbaren am Stromverbrauch von heute 33 Prozent bis 2025 auf 45 Prozent"
Das ist wieder so eine schöne vernebelnde Formulierung wie: "Der Mitarbeiter war stets bemüht". Im Klartext bedeutet der Satz:
Wir bremsen die Entwicklung so ab, dass nicht mehr als 45% bis 2025 erreichbar sind.
In den kommenden neun Jahren darf die Steigerung pro Jahr also nicht mehr als 1,33% betragen.
Und weiter:
"Um unsere Klimaziele zu erreichen, überführen wir 13 Prozent der Braunkohlekapazitäten in Deutschland in eine "Sicherheitsbereitschaft" mit anschließender Stilllegung."
Der Satz bedeutet im Klartext:
Der Bürger, Steuerzahler oder Stromverbraucher (bestimmt wieder mit Ausnahmen für die Industrie) wird für diese 13% eine Bereitschaftsprämie finanzieren und diese Bereitschaftsprämie ist zeitlich anscheinend nicht limitiert. Zumindest nennt der Minister keinen konkreten Stilllegungstermin.
Würde man auf den Kohlestrom verzichten, bräuchte man dann noch einen Netzausbau von den Kohlekraftwerken – die ja irgendwann einmal stillgelegt werden sollen – nach Bayern gegen den Willen der Bürger und wer verdient an den Netzgebühren, die dann anfallen und von den Stromverbrauchern (bestimmt auch wieder ohne die stromintensive Industrie) bezahlt werden?
Wenn Sie sich den vorhergehenden Beitrag im Blog anschauen, finden Sie dort ein Diagramm von Fraunhofer Energiesysteme. Können Sie anhand des Diagramms die Notwendigkeit für eine "Sicherheitsbereitschaft" erkennen? Ich sehe erhebliche Exportmengen an Strom und frage mich, ob ein Import bei Bedarf (und die Entwicklung der Speichertechnologie macht gerade Riesensprünge) nicht kostengünstiger wäre und wer da gerade warum mein Geld geschenkt bekommt. Zahle ich demnächst also etwas wie Hartz IV für RWE und Co.?
Ebenso schön ist die Worthülse der "verlässlichen Ausbaupfade".
Bei einem verlässlichen Ausbau von 1,33% für alle EE ist es durchaus verlässlich, dass die EE-Technologie das nicht überlebt.
Ein Beispiel für den Rückgang finden Sie hier: http://unep.org/docs/GTR_infogr-02.jpg
Der Minister weiter zur Akteursvielfalt: "Bei der Umstellung auf Wettbewerb stellen wir sicher, dass die Akteursvielfalt - ein Markenzeichen der deutschen Energiewende - erhalten bleibt."
Tabelle 1: Neugründungen und Neueintragungen von Energiegenossenschaften
Jahr | 2006 | 2007 | 2008 | 2009 | 2010 | 2011 | 2012 | 2013 | 2014 |
Neugründungen | 9 | 23 | 58 | 132 | 160 | 194 | 183 | 104 | 29 |
Neueintragungen | 9 | 8 | 37 | 90 | 132 | 195 | 187 | 172 | 66 |
Zitat: "Als mögliche Ursachen hierfür lassen sich die Novellierung des Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) im Jahr 2012 anführen, die jedoch verglichen mit der Reduktion der Neugründungen in 2013 und insbesondere in 2014 noch einen moderaten Effekt hatte."
Zitat: "Die Gründungsdynamik nimmt seit der Verabschiedung des KAGB ab und verlangsamt sich noch weiter, seitdem die nächste Novellierung des EEG am 8.4.2014 beschlossen wurde. Letztere sieht deutliche Kürzungen der Förderung für regenerative Energienanlagen vor und bringt zudem weitere Unsicherheit für Energiegenossenschaften mit sich. Beispielsweise sollen zukünftig Photovoltaik-Freiflächenprojekte nur dann eine Vergütung erhalten, wenn die Betreiber der Anlage ein kompliziertes Ausschreibungsverfahren gewinnen."